2013-04-23

Selbst ist die Frau, der Fotograf und das Model











Grüne Wiesen voll von Löwenzahn, violette Veilchen im Garten, junge Rehe im Wald hinter unserem Haus, es gibt fast nichts Schöneres im Frühling. Jahrelang genieße ich diese Dinge und auf einmal packt mich die Lust, den ganzen bunten Zirkus und jeden, der sich als Opfer meiner ersten Gehversuche mit der digitalen Spiegelreflex meines Vaters hergibt, einzufangen.
Ich fotografiere also seit geraumer Zeit, genauer gesagt seit zwei Jahren. Schon und für immer fasziniert von schönen Bildern und Fotos, wollte ich neben dem Zeichnen und Nähen ein weiteres Kreativstandbein finden: Fotostrecken in der Vogue, große Kampagnen internationaler Firmen, Bilder von Menschen mit echten Geschichten – mein Kopf sagt 'das will ich auch', auch wenn am Ende alles nur Hobby gepaart mit bloßer Träumerei bleibt.

Problematisch ist bei der ganzen Sache Folgendes: von außen betrachtet sehen diese neuartigen Kameras alle harmlos und auch nicht sehr komplex aus, aber nur ein Drücken auf den 'On' Knopf genügt und die Verwirrung steht einem förmlich ins Gesicht geschrieben. Tausende und Abertausende – im Endeffekt ungefähr 20 – Knöpfe und schon ist man nicht nur als Frau überfordert. Entweder man gibt sich nun der Überforderung hin und scheitert schon beim Aufwärmen oder man stellt sich der Herausforderung. Ich entscheide mich fürs Weitermachen. Für Klarheit sorgen kann dann nur noch eines, das Handbuch. Mein Handbuch trägt vorerst den Namen Papa. Aber auch der weiß unglücklicherweise nicht über jeden Handgriff Bescheid und so muss ich wohl oder übel zum verhassten Wälzer greifen und mich mit Fachchinesisch herumschlagen. Danach kann ich jedoch mit Stolz verkünden.....dass ich es ohne Aggressionsbewältigungskurs niemals bis ans Ende dieses Handbuches schaffen werde.
Langsam gehen einem also die Mittel aus, wenn Handbuch und sogar die Geheimwaffe 'Daddy' versagen. Einige erfahrenere Freunde mit Kamera können da zur Goldgrube werden, aber ich entscheide mich spontan für eine andere Variante: selber experimentieren.
Der Spaß geht los mit 'Wo ist eigentlich der Selbstauslöser, wie stelle ich das Licht am blödesten ein und wo zum Teufel kann ich die Größe der Dateien von überdimensional auf normal umändern?'. Diese und viele andere Fragen beantworte ich mir jetzt seit 2 Jahren durch Selbstportraits. Und da sind wir auch schon beim Thema.



Ich muss zugeben, dass ich Selbstportraits komisch finde. Man fotografiert sich selbst, allein, vorzugsweise in seinem Zimmer mithilfe von Stativ und Selbstauslöserfunktion (wenn man sie denn schon entdeckt hat): Ich Patricia wähle dich Patricia als Model für heute und für immer. Denn auf den ersten Blick spricht bei einem schönen Selbstportrait die reine Selbstliebe aus dem Foto. Es schreit gerade zu nach 'Spieglein, Spieglein an der Wand, ich bin die Schönste im ganzen Land'. Und ich hasse das, denn welche Frau, außer Gisele und Heidi, findet sich wirklich so unglaublich schön. Deshalb und aus vielerlei anderen Gründen nervt dieser negative Ruf, der dem Selbstauslöser anhaftet.
Dass sowohl Lichteinstellung als auch Winkel, Posen und Komposition im Bild mit in das Entstehen eines solchen Fotos gehören, vergessen die meisten. Geknipst ist schnell, aber ein geplantes Foto braucht Zeit, bis es perfekt ist und dazu muss sowohl Fotograf als auch Mensch vor der Kamera sein Fachwerk beherrschen. Dass vor einer Kamera zu posieren oder überhaupt erst wunschlos glücklich, unwiderstehlich oder völlig verzweifelt zu gucken, nicht einfach ist, beweist nicht erst Germany's Next Topmodel mit seiner eher peinlichen Darstellung dieses Berufszweiges.

Was mich angeht, ist der Selbstauslöser mein bester Freund geworden, obwohl ich Fotos von mir noch vor einiger Zeit großzügig gemieden habe. Denn wenn es darum geht, ein Tool an der Kamera, eine neue Location oder eine neue Einstellung zu testen, bin ich hoch motiviert und wahrscheinlich geduldiger als jedes Topmodel. Ewig Hund und Katze zu nerven oder Mutti im Garten abzulichten, ist nicht das, was ich anstrebe. Denn ich will weiterkommen, sowohl mit der Fotografie als auch mit der Kamera. Und manchmal funktioniert so etwas nur durch übermäßige Eigeninitiative. Wenn das also bedeutet, ich muss mich ein Dutzend Mal selbst ablichten, tu ich es. Dabei geht es weniger darum, dass man sich besonders schön findet, sondern vielmehr allzeit bereit ist. Wenn ich also meine Visionen im Kopf habe, wer könnte sie besser umsetzen als ich selbst? Solange ich keine professionellen Mannequins vor die Linse bekomme, ist diese Variante die Schmerz freieste, die es gibt, wenn ich nicht künftig alle meine geliebten Freunde durch fotografischen Perfektionismus verscheuchen will.
Auch nach 100 Fotos habe ich an mir selbst letztlich am meisten zu nörgeln und das kann ich mir dann unverfroren und bedenkenlos ins Gesicht sagen. Da nehme ich kein Blatt vor den Mund und teste, teste, teste, bis es so wird, wie ich es mir vorgestellt habe. Selbstverliebt ist also eher als selbstkritisch zu betrachten und Selbstportraits sind weniger Spiegel des Fotografen als vielmehr seiner fachlichen Entwicklung.
Ein kleiner, positiver Nebeneffekt ist, dass auch mein eigenes Gefühl, mich vor der Kamera zu bewegen und meine Mimik zu kontrollieren, besser wird. Meiner Meinung nach sind das die besten Voraussetzungen, um meinen Models künftig Tipps aus erster Hand zu geben.
Momentan experimentiere ich mit Mehrfachbelichtung und Belichtung im allgemeinen präsentiere nun die ersten Ergebnisse meiner kleinen Selbststudie.







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